Exponat des Monats

Juli 2014

Hochrad, > 140 Jahre alt

Sommerzeit – Fahrradzeit! Der Sommer ist in unserer heimischen Region die hohe Zeit des Fahrradfahrens. Alt und Jung sind unterwegs, die Kleinen auf Kinderfahrrädern, junge Männer und Frauen auf sportlichen Mountainbikes und die es etwas leichter angehen lassen wollen, auf den modernen E-Bikes. Das Museum der Stadt Lennestadt will daher in diesem Monat ein Fahrrad vorstellen, das vor 140 Jahren gefahren wurde und damals hochmodern war. Es handelt sich um ein Hochrad, das dem Museum als Leihgabe von André Clemens, dem Inhaber des Bike-Shops in Grevenbrück-Neukamp, zur Verfügung gestellt wurde.

Wer heutzutage ganz selbstverständlich die eine oder andere Strecke mit dem Fahrrad zurücklegt, ist sich wohl kaum der langen Entwicklung dieses Vehikels bewusst. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war das Hochrad.

Das Hochrad ist eine Form des Fahrrades, das sich durch eine besondere Höhe des Vorderrades auszeichnet. Es wurde um 1870 von den Briten J. Starley und W. Hillmann erfunden. Vorläufer dieses Hochrades, und damit auch unseres heutigen Fahrrades, war zunächst eine Laufmaschine, die der Badische Forstmeister Carl von Drais 1817 entwarf und baute. Angetrieben wurde die aus einem Holzrahmen und zwei Laufrädern bestehende Laufmaschine durch das Abstoßen der Füße vom Boden. Sie verfügte auch über ein lenkbares Vorderrad. Dieses Gerät wurde nach dem Erfinder benannt und hieß fortan „Draisine“. In den deutschen Staaten hatte die Draisine nur kurzen Erfolg. In Großbritannien und den USA konnten in den folgenden Jahrzehnten viele Schwächen der Draisine behoben werden. Zum Durchbruch der Draisinen verhalf aber dann 1861 der Franzose Pierre Michaux. Er entwickelte die bisherige Laufmaschine weiter und baute Tretkurbeln an das Vorderrad. Michaux ließ nun sofort mehrere solcher Maschinen bauen und stellte sie auf der Weltausstellung 1867 in Paris aus. Er nannte sie „Velociped“. Mit dem Deutsch-Französischen Krieg kam dann aber die Hochzeit des Velocipeds auf dem Kontinent zum Erliegen.

Lediglich in England, wo das Velociped „Boneshaker“ (deutsch „Knochenerschütterer“) genannt wurde, erfreute sich das Gerät ungebrochener Beliebtheit. So waren es dann auch Engländer, die um 1870 das Fahrrad weiterentwickelten und mit einem Vorderrad versahen, dass etwa doppelt so groß war wie das Hinterrad. Das Hochrad war geboren.

Dieses Hochrad konnte sich aufgrund größerer Geschwindigkeit bei gleicher Pedalkurbeldrehzahl und besserem Fahrkomfort infolge des größeren Vorderrades gegen das Velociped durchsetzen. Zur Verbesserung der Kraftübertragung auf die Pedale rückte der Fahrer weit nach vorne, so dass der geringere Fahrkomfort des kleinen Hinterrades nicht störte. Der Nachteil war das schwierigere Auf- und Absteigen auf und von dem höher liegenden Sitz und die größere Unfallgefahr. In Großbritannien wurde das Hochrad Sport- und Statussymbol junger, wohlhabender Männer. Um 1890 entstand dann auch in England das Sicherheitsniederrad, das schließlich das Hochrad zu verdrängen begann.

Das vom Museum präsentierte Hochrad ist standardgemäß aus einem großen Vorderrad von 1,5 m Durchmesser und einer mit einem Lenker und Handbremse versehenen Radgabel aufgebaut, an die sich nach hinten ein parallel zum Reifen gebogener Metallrahmen anschließt, der rückseitig in einer kleinere Gabel mündet. Diese fasst ein relativ kleines Hinterrad ein, dessen Durchmesser 50 Zentimeter beträgt. Am hinteren Ende des Rahmens befinden zwei kleine Trittstufen, auf die man mit einem Fuß aufsteigen kann, während man sich mit dem anderen abstößt und sich dann in den Sattel schwingt. Leider wurden die Metallteile des ausgestellten Hochrades im Laufe der Jahre überstrichen, so dass man keine Fabrikationsmarke erkennen kann. Auch die Gummiteile (Reifen und Sattel) wurden erneuert.

Zu sehen ist dieser über 140 Jahre alte Vorläufer unseres heutigen Fahrrades im Alten Amtshaus des Museums der Stadt Lennestadt am Sonntag, dem 06. Juli 2014, von 14 bis 17 Uhr. An Werktagen ist das Museum dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr sowie donnerstags von 9 -12 und 14 -18 Uhr geöffnet.

Der Eintritt ist frei.


Text: Walter Stupperich
Foto: Museum der Stadt Lennestadt