Exponat des Monats

März 2014

Nähmaschine Wettina Schwingschiff Nr. 21,
über 100 Jahre alt

Im Einklang mit der vom Museum der Stadt Lennestadt im neuen „Kulturbahnhof“ präsentierten Sonderausstellung „störig! Kleidung und Mode im Sauerland 1870 – 1970“ steht auch das „Exponat des Monats März“, welches im Alten Amtshaus zu sehen ist. Es handelt sich um eine über 100 Jahre alte Nähmaschine der Firma Biesolt & Locke, Meißen. Sie ist eine Leihgabe von Anton Böhne aus Lennestadt-Bonzel.

(Foto: Museum der Stadt Lennestadt)

Bei dieser Nähmaschine handelt es sich um die „Wettina Schwingschiff Nr. 21“ der Meissner Nähmaschinen-Fabrik Biesolt & Locke. Im Jahre 1869 gründeten Maximilian Reinhold Biesolt und Julius Hermann Locke in Meißen eine „Werkstatt für Nähmaschinenfabrikation“. Anfangs wurden nur Kettenstichnähmaschinen gebaut, ab 1893 begann Biesolt & Lcocke mit der Fabrikation von Rundschiff-Nähmaschinen. 1900 folgte dann die Herstellung der Schwingschiffnähmaschine „Wettina“. Das vorgestellte Modell „Nr. 21“ ist ein besonderer Oldie unter den Nähmaschinen. Die Mechanik dieses Schwingschiffchens hat sich längst überholt, sie war aber ein Meilenstein in der Geschichte des Nähmaschinenbaus. Die „Nr.21“ hatte eine leichtgängige Mechanik und war einfach zu bedienen. Die Fadenspannung und der Füßchendruck ließen sich verstellen, die Einfädelung der Nadel geschah von vorne. Sie nähte sehr sauber, man hörte dabei nur das jeweilige Anschlagen des Schiffchens in seiner Halterung. Die sehr stabil gebaute Maschine hat ein Gewicht von 11 Kilogramm.

Die vorgestellte „Schwingschiff Nr.21“ steht auf einer Holz-Bodenplatte und kann mit einer Abdeckhaube verschlossen werden. Sie ist für den Handbetrieb vorgesehen. Ein Keilriemenrad sowie entsprechende Bohrungen in der Bodenplatte sind vorhanden, sodass sie auch für den Fußbetrieb geeignet ist. Ein kleines Schild an der Vorderseite der Maschine macht Angaben über die passenden Nadelstärken, über die zu verwendenden Garnstärken für jede Nadel und über die Garnlänge, die auf die Spule bei dem jeweils verwendeten Garn passt.

Wenige Maschinen haben sich so schnell bei uns häuslich niedergelassen wie die Nähmaschine, und doch ist deren Geschichte noch gar nicht so alt. Erst 1755 hat Charles Fr. Wiesenthal versucht, das Handnähen durch eine Maschine nachzuahmen. Er wird allgemein als erster Nähmaschinenerfinder genannt. Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in vielen Ländern Weiterentwicklungen dieser neuen Maschine. Die Gründerzeit für den Nähmaschinenbau in Deutschland setzte dann um 1860 voll ein. Es entstanden hier in den nachfolgenden Jahren in fast allen größeren Städten kleine Nähmaschinenfabriken. So begannen auch 1869 die Herren Biesolt und Locke mit zunächst sechs Arbeitern die Produktion von Nähmaschinen in Meißen. Die wirtschaftliche Entwicklung war gut, bereits 1874 konnten die Fabrikräume vergrößert und der Dampfbetrieb eingeführt werden. 1914 brannte die Fabrik von Biesolt & Locke völlig aus. Im gleichen Jahr starb Maximilian Biesolt, und der erste Weltkrieg brach aus. An einen Wiederaufbau war nicht mehr zu denken, die Firma erlosch dann 1918.

Die in diesem Monat präsentierte „Schwingschiff Nr. 21“ hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Anton Böhne sen.(1897-1980), der Vater von Anton Böhne aus Bonzel, der Leihgeber dieser Nähmaschine, hat diese in seiner Jugendzeit oft in einem Handkarren von Haus zu Haus, von Familie zu Familie, fahren müssen. Seine Tante war Weißnäherin von Beruf. Weißnäherinnen beschäftigten sich mit Stickerein und Verzierungen auf weißen Textilien wie z.B. Bettwäsche und Tischtücher, aber auch mit deren Herstellung. Sie half auch mit, Kleinkinderwäsche und Leibwäsche zu nähen. Zu diesem Zweck holten sich die Familien die Weißnäherin ins Haus. Und hierbei musste Anton Böhne seiner Tante immer behilflich sein und die Nähmaschine von einem Haushalt zum anderen transportieren. Aufgrund dessen weist die Maschine auch reichlich Gebrauchsspuren auf. Die früher reichlich auf diesen Maschinen vorhandene Ornamentik ist fast völlig abgerieben. Diese Nähmaschine war noch bis in die 1960er Jahre im Hause Böhne in Betrieb.

Zu sehen ist diese über 100 Jahre alte Nähmaschine im Alten Amtshaus des Museums der Stadt Lennestadt
am Sonntag, dem 02. März 2014, von 14 -17 Uhr.
An diesem Tag ist auch die Webstube in Betrieb. Den Weberinnen kann bei der Arbeit zugeschaut werden, sie können den Besuchern auch die verschiedensten Webtechniken erklären. An Werktagen ist das Museum
dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr sowie donnerstags von 9 -12 und 14 -18 Uhr geöffnet.
Der Eintritt ist frei.

(Text: Walter Stupperich)