Exponat des Monats

April 2011

Hebammenkoffer (ca. 1940)

Eine verhältnismäßig junge Antiquität stellt das Museum der Stadt Lennestadt als „Exponat des Monats April“ der Öffentlichkeit vor. Es handelt sich dabei um einen Hebammenkoffer aus den 1940er Jahren. Er ist ein ganz seltenes Stück, da es Koffer aus dieser Zeit fast nicht mehr gibt. Dieser Hebammenkoffer ist eine Schenkung von Frau Ursula Weißbrich, Kirchhundem-Hofolpe, an das Museum.

Hersteller des Koffers ist die seit 1893 bestehende Firma Gottlob Kurz aus Wiesbaden. Sie ist spezialisiert auf Hebammenbedarf. Der Firmenname „Gottlob Kurz“ ist im Innenteil des Hebammenkoffers eingeprägt sowie die Bezeichnung „Wiesbadener Hebammentasche (Geburtstasche)“. Weiter geht aus der Prägung hervor, dass die genannte Firma alleiniger Fabrikant dieses patentamtlich geschützten (DRGM) Hebammenkoffers ist. Der Inhalt dieses Koffers besteht aus einer Vielzahl von Instrumenten wie Katheter, Thermometer, Pinzetten, Spritzen, einem Holzstethoskop, einem Blutdruckmessgerät sowie einem kleinen OP-Besteck und einer Vielzahl unterschiedlicher Scheren. Auch Mullbinden, Pflaster, Puder und Verbandwatte finden Platz in diesem übersichtlich angeordneten Koffer. Allerdings sieht man es dem Koffer an, dass die Zeit an ihm ihre Spuren hinterlassen hat.

Benutzt wurde dieser Koffer von der Hebamme Agnes Braun, die später nach ihrer zweiten Heirat Agnes Sommer hieß und in Grevenbrück bis zu ihrem Tode im Jahr 1996 wohnte.

Frau Ursula Weißbrich, die den Hebammenkoffer dem Museum übergeben hat, ist eine Nichte von Frau Sommer. Sie weiß über ihre Tante noch viel zu berichten und hat auch eine große Anzahl von Fotos und Briefen. Frau Weißbrich sagt wie folgt: „Agnes Sommer wurde im Jahre 1915 als fünftes Kind der Eheleute Johann und Elisabeth Baumhoff in Hofolpe geboren. Als sie zur Welt kam, war der Vater als Soldat im 1. Weltkrieg, und die Mutter musste für die fünf Kinder allein sorgen. Mit 19 Jahren nahm Agnes Baumhoff eine Stellung im Haushalt in Düsseldorf an. 1942 musste sie nach Hause kommen, um die Eltern zu unterstützen. Der jüngste Bruder war bereits gefallen und die zwei anderen Brüder waren auch zum Kriegsdienst eingezogen. Im Mai 1942 heiratete Agnes ihren ersten Mann, Karl Braun. Dieser fiel bereits neun Monate später im Kaukasus. Die 27-jährige junge Witwe machte dann eine Ausbildung als Hebamme in Paderborn. Dort blieb sie bis 1945. Nach dem Ende des Weltkrieges übernahm sie eine Stelle als Hebamme in Bilstein. In den armen Jahren nach dem Krieg war der Einsatz als Hebamme sehr beschwerlich. Im Sommer wie im Winter fuhr sie mit dem Fahrrad zur Geburt und zur Wöchnerin. Später schaffte sie sich eine „Quickly“, ein Fahrrad mit Hilfsmotor, an. Sie blieb als „Storchentante“ 15 Jahre lang in Bilstein. Im Jahre 1960 heiratete sie dann zum zweiten Male; ihr Mann war Heinrich Sommer, Architekt in Grevenbrück. Auch von Grevenbrück aus hat sie noch manche Frau als Hebamme betreut. Die Zahl der Hausgeburten wurde aber immer weniger, da die Kinder in den Krankenhäusern Altenhundem und Elspe geboren wurden.“

Der Beruf der Hebamme hat sich während der Zeit, in der Frau Sommer tätig war, sehr verändert. In der damaligen Zeit nach 1945 waren über viele Jahre Hausgeburten üblich. Die Hebammen untersuchten und berieten die Frauen, die ein Kind erwarteten, schon vor der Geburt. Während der Geburt wurde nur in Notfällen der Hausarzt hinzugezogen. Nach der Geburt, der Wochenbettzeit, durfte die Frau 10 Tage lang meistens das Bett nicht verlassen. In dieser Zeit kam jeden Tag die Hebamme und versorgte Mutter und Kind. Meistens wurde in dieser Zeit, wenn die Mutter noch nicht aufstehen durfte, das Kind schon getauft. Auch da war die Hebamme im Einsatz. So etwa ab den 1960/70-er Jahren wurden die Kinder zumeist in den Krankenhäusern geboren, es gab kaum noch Hausgeburten.
Heute sind die Hebammen wieder viel gefragt. Gebärende bleiben in der Regel nur noch zwei Tage in der Klinik. Danach sind sie allein auf sich gestellt, wenn es um die Versorgung der Kinder geht. Hier ist die wohnortnahe Versorgung durch Hebammen wieder zwingend notwendig. Heute begleiten die Hebammen die ganze Familie in der neuen Situation. Vor allem in problematischen sozialen Verhältnissen ist eine Unterstützung durch Hebammen wichtig.

Zu sehen ist der alte Hebammenkoffer im Museum der Stadt Lennestadt erstmals
am Sonntag, dem 03. April 2011, von 14 -17 Uhr.
An Werktagen ist das Museum
dienstags von 9 -12 u. 14 -16 Uhr und
donnerstags von 9 -12 u. 14 -18 Uhr geöffnet.
Neben der Dauerausstellung ist auch noch die Sonderausstellung „Im Schatten des Krieges“ zu sehen.
Der Eintritt ist frei.