Exponat des Monats

Mai 2012

Ein Liebesbrief von 1899

 

Für den Wonnemonat Mai präsentiert das Museum der Stadt Lennestadt einen Liebesbrief aus dem Jahre 1899 als „Exponat des Monats“. Liebesbriefe, die in der Regel immer nur an eine bestimmte Person gerichtet sind, werden höchstens durch eine Indiskretion veröffentlicht, oder es ist der Fall, dass Empfänger und Absender schon verstorben sind und es ausgeschlossen ist, dass man diese Namen nachvollziehen kann. Im vorliegenden Fall sind nur die Vornamen bekannt. Absender und Empfänger sind bestimmt schon verstorben, was man aufgrund des Alters des Liebesbriefes annehmen kann.


Foto: Jürgen Kalitzki

Der dem Museum als Schenkung vorliegende vierseitige handgeschriebene Liebesbrief trägt das Datum vom 04. August 1899. Er wurde von einer Person namens Johann an eine Elisabeth geschrieben. Dieser Liebesbrief drückt viel mehr aus als eine profane Mitteilung. In ihm wird der Schmerz angesichts des Nicht-Zusammen-Seins mit der Geliebten, aber auch die Freude auf ein Wiedersehen sehr deutlich. Schwieriger ist jedoch der Versuch, Probleme über etwas Vorgefallenes beim letzten Treffen zu formulieren.

Johann, der Briefschreiber, hat seinen Brief auf vier Seiten mit Tinte in der damals üblichen „Deutschen Schrift“ abgefasst. Das Schriftbild ist gleichmäßig und flüssig. Die Rechtschreibung ist sehr gut, weicht naturgemäß allerdings von der heutigen Grammatik etwas ab. Johann schreibt seine Gedanken einfach hintereinander auf, ohne sich groß um Punkt und Komma zu kümmern.

„Vielgeliebte Elisabeth.“ Mit diesen Worten beginnt Johann seinen Brief an die Geliebte. Er drückt zunächst seinen Schmerz über das Abschiednehmen vor 14 Tagen aus: „Du glaubst es mir nicht wie schwer mir jedes Mal der Abschied fällt.“ Johann drückt auch seine Sorgen aus über das Arbeitsverhältnis seiner Elisabeth, die sehr wahrscheinlich eine Stelle in einem Haushalt inne hatte: „Nun was sagte denn deine Herrschaft, wollten sie dich auch wieder haben?“ Er schreibt aber auch. „…hast dich doch auch gewiß in den letzten Tagen sehr plagen müssen, es thut mir wirklich leid für dich.“

Johann und seine Eltern waren sicher fromm und gottesfürchtig, wie es in der damaligen Zeit zumeist üblich war. Er schreibt vom letzten Abschiednehmen, dass „..es bereits 1 Uhr war als ich nach Hause ankam und da musste ich auch noch in die Kirche denn wir hatten ewige Anbetung wo ich gar nicht dran gedacht hatte…“ Johann musste also noch nach seiner Heimkehr nachts um 1 Uhr in die Kirche, um an der „Ewigen Anbetung“ teilzunehmen. Die „Ewige Anbetung“ in der katholischen Kirche ist in einer Diözese auf die Kirchengemeinden nahtlos aneinander verteilt und wurde damals zu jeder Tag- und Nachtstunde abgehalten. Johann hat dann an der „Ewigen Anbetung“ teilgenommen und er schreibt dazu: „…und nachher wollte ich noch etwas schlafen aber immer dachte ich an Dich Vielgeliebte in der Ferne.“

Johann bittet dann die „Vielgeliebte seines Herzens“: „…nächsten Sonntag ist das Fest Maria Geburt und dann wollte ich nach Attendorn, nun mögte ich dich doch dringend bitten mitzugehen….“ Sicherlich ist mit diesem Gang nach Attendorn an dem besagten Marienfest die Wallfahrtskapelle Waldenburg gemeint.

Sehr wahrscheinlich gab es beim letzten Treffen der beiden Liebenden irgendwelche Probleme: „…aber mögen sie gedacht haben was sie wollen, ich bin mir wenigstens keiner Schuld bewußt …“

Johann denkt auch an die Zukunft: „Liebe Elisabeth nur noch kurze Zeit dann werden wir das Glück haben immer beisammen zu sein, so innig wie wir uns jetzt lieben, wollen wir es auch bis zum Tode, möge deshalb Gottes Segen mit uns sein…“ Johann schließt mit den Worten: „Es grüßt und küsst dich 1000 mal dein dich von Herzen liebender Johann.“

Abgefasst ist der vierseitige Liebesbrief auf einem Papierbogen mit Wellenschnittrand und geprägter Zierkante. Die rechte obere Ecke des ersten Blattes ist abgeknickt. Diese Ecke ist mit einer Zierschleife versehen, die noch Reste von einer Blüte oder Pflanze trägt.

Im 18. und 19. Jahrhundert gehörten Liebesbriefe zum guten Ton. Moderne Formen der Liebesbriefe sind SMS, Chats und E-Mails, bei denen auch Smilies (kleine Symbole aus Zeichenkombinationen) und E-Mail-Kürzel eingesetzt werden. Aber sicherlich gibt es auch noch den guten, alten Liebesbrief, der auf Papier verfasst wird.

Zu sehen ist dieser schöne und romantische Beweis einer Liebe im Museum der Stadt Lennestadt am Sonntag, dem 06. Mai 2012, von 14 -17 Uhr. Auch während der wöchentlichen Öffnungszeiten ist das Exponat zu besichtigen und zwar dienstags von 9 -12 u. 14 -16 Uhr und donnerstags von 9 -12 u. 14 -18 Uhr geöffnet.
Der Eintritt ist frei.

Walter Stupperich