Exponat des Monats

Dezember 2016

Weihnachten steht vor der Tür!

Die Weihnachtszeit ist seit Jahrhunderten mit zahlreichen christlichen Bräuchen verbunden. Einer dieser Bräuche drückt sich darin aus, dass den Menschen an Weihnachten etwas geschenkt wird, das sie sich nicht erwerben können, denen es zu kostspielig ist oder das sie nicht verdient haben. Das Beschenken von Kindern hat bereits seit dem 16. und 17. Jahrhundert einen festen Platz eingenommen. Kein Wunder also, dass Weihnachten für unsere Kinder das wohl wichtigste Fest des Jahres ist. Ein solches Weihnachtsgeschenk präsentiert das Museum der Stadt Lennestadt als „Exponat des Monats Dezember“.
Marlies Strautz aus Grevenbrück wünschte sich als sechsjähriges Mädchen heiß und innig einen „Dudelsack“ vom Christkind. Wie groß war die Freude, als sie dann in der Kriegsweihnacht 1944 dieses Musikinstrument unter dem Weihnachtsbaum fand. Wie Marlies Strautz, die Leihgeberin, heute noch sagt, war dieses das schönste Weihnachtsgeschenk in ihrer Kindheit.

2016-161aBei dem im Volksmund sogenannten „Dudelsack“ handelte es sich um eine Handharmonika. Die Eltern hatten seinerzeit verwandtschaftliche Beziehungen in Neuenrade, wo es eine Musikinstrumentenfabrik gab. Sie erhielten das Instrument im Tausch gegen Naturalien.
Wie aus dem schönen Originalkarton der Harmonika zu ersehen ist, wurde das Instrument von der Firma „Herfeld & Comp., Größte Musikinstrumenten-Fabrik in Neuenrade/Westfalen“ unter der Artikelbezeichnung „Continental Nr. 1115“ gebaut. Das Unternehmen wurde 1906 von der Familie Herfeld in Neuenrade gegründet. Es stellte zunächst Blasinstrumente und Akkordeons her und war damals eines der führenden Versandgeschäfte und Hersteller von Musikinstrumenten in Deutschland. Im Jahr 1933 wurde die Herstellung von Musikinstrumenten eingestellt und der Betrieb auf die Produktion von Fahrrädern umgestellt. Das Unternehmen montierte und vertrieb dann Fahrräder unter der Marke „Vaterland“. Ende 2007 stellte die Firma ihre Produktion ein und meldete Insolvenz an.
Die vorgestellte Handharmonika, hergestellt etwa um 1930, ist kein ausgewiesenes Kinderinstrument. Sie ist allerdings von einfachster Machart, die wichtigsten Korpusteile sind aus Holz. Die Maße sind B 26 x T 14,5 x H 26 cm. Auch der metallene Eckenschutz ist in einfachster Ausführung. Auffällig ist, dass sich keinerlei Riemenbefestigung an dem Instrument befindet. Die kleine Handharmonika wurde also nicht wie ein großes Akkordeon an den Körper geschnallt, sondern musste mit den Händen gehalten werden. Man spielte auf der Melodieseite lediglich mit vier Fingern, für die Begleitung reichten meist sogar zwei Finger.
Der vom Autor zur fachlichen Beurteilung dieser Handharmonika hinzugezogene Musikverleger und Musikpädagoge, insbesondere für Akkordeonmusik, Ralf Kaupenjohann aus Essen, sagt weiter zu diesem Instrument: „Die Handharmonika besitzt zehn Diskantknöpfe. Dahinter verbergen sich in der Regel zwei Töne. Man nennt ein solches Instrument dann wechseltönige Handharmonika, denn ähnlich wie bei den meisten Mundharmonikas erklingen – je nach Spielwindrichtung – zwei verschiedene Töne. Auf der Bass-Seite für die linke Hand mit den vier Knöpfen finden sich zwei Bass-Tasten und zwei Tasten mit Dur-Akkorden. Diese Bass-Seite war ebenfalls wechseltönig, und zwar so, dass die Basstöne genau zu den Melodietönen passten.
Das Inimg_0497strument ist zweichörig. Um es klangvoller bzw. lauter zumachen, ertönt beim Drücken eines Knopfes nicht nur eine durchschlagende Zunge, sondern gleich zwei. Der zweite Ton ist etwas höher gestimmt, so das eine Schwebung entsteht. Dieser charakteristische Klang ist sehr klischeebildend für manche Akkordeonmusik, wie z.B. Seemannslieder oder Alpenländische Musik.
Diese Handharmonika war ein tragbares Instrument, mit dem man einfache Melodien und eine simple rhythmische Begleitung spielen konnte. Zu Beginn – in der Mitte des 19. Jahrhunderts – war es ein Spielzeug für bessere Schichten, später dann, in der hier vorliegenden schlichteren Bauform, ein Massenartikel.“

Diese Handharmonika, das Weihnachtsgeschenk für die kleine Marlies Klenz, heute verheiratete Strautz, in der Kriegsweihnacht 1944, ist im Museum der Stadt Lennestadt am Sonntag, den 4. Dezember 2016, von 14 – 17 Uhr, zu sehen. An Werktagen ist das Museum dienstags von 9 – 12 und 14 – 16 Uhr sowie donnerstags von 9 – 12 und 14 – 18 Uhr geöffnet.

Der Eintritt in das Museum ist frei.

 

 Text: Walter Stupperich
Fotos: © Museum der Stadt Lennestadt