Exponat des Monats

März 2017

Ein Fleischbeschauer-Mikroskop – fast 140 Jahre alt

In den Wintermonaten früherer Jahre war es in der hiesigen Region üblich, dass in den Haushaltungen ein Schwein geschlachtet wurde. Nach jeder Schlachtung musste durch einen amtlichen Tierarzt eine Fleischuntersuchung durchgeführt werden, bei Schweinen zusätzlich eine Trichinenuntersuchung. Diese Untersuchung erfolgte mittels eines für die Trichinenschau eingesetzten Mikroskopes. Ein solches Mikroskop stellt das Museum der Stadt Lennestadt als „Exponat des Monats März“ vor. Dieses Gerät wurde dem Museum von Bernd Kramer aus Lennestadt-Kickenbach zur Verfügung gestellt.
Die Personen, welche die Fleischbeschau ausübten, wurden als „Beschauer“ bezeichnet. Als Beschauer waren entweder Tierärzte oder solche Personen bestellt, die die vorschriftsmäßige Prüfung als Fleischbeschauer bestanden hatten. Zu dieser Prüfung durften nur männliche Bewerber zugelassen werden, die das 23. Lebensjahr vollendet, das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten und zudem bestimmte Bedingungen erfüllt hatten.
Als Hausschlachtung wird in Deutschland eine Schlachtung außerhalb gewerblicher Schlachtstätten bezeichnet, in der Regel am Hof des Tierbesitzers, wobei das erschlachtete Fleisch ausschließlich im eigenen Haushalt des Tierbesitzers verwendet wird. Typisches Tier für eine Hausschlachtung ist das Schwein, doch es werden auch Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Hühner, Kaninchen und Esel geschlachtet. Nach der Schlachtung wird die Fleischuntersuchung durch den Fleischbeschauer durchgeführt, bei Schweinen erfolgt zusätzlich die Trichinenuntersuchung.
Ein solcher Fleischbeschauer war auch Josef Kramer (1881-1977), ein Onkel des Bernd Kramer, aus Kickenbach. Josef Kramer, aus dessen Nachlass dieses Gerät stammt, wird dieses Mikroskop benutzt haben. Es handelt sich bei dem präsentierten Instrument um ein sehr frühes Messingmikroskop von der Firma Ernst Leitz aus Wetzlar. Auf dem Objekttisch ist neben dem Namen der Firma auch die Herstellungsnummer 4209 eingraviert. Diese Seriennummer deutet auf das Herstellungsjahr 1881 hin.

Priv.-Dozent Dr. Timo Mappes, Karlsruhe, der das virtuelle „Museum Optischer Instrumente“ unter http://www.musoptin.com/ betreut, sagt u.a. zu dem vorgestellten Mikroskop: „Die grobe Einstellung des Mikroskops geschieht über einen Schiebetubus, die feine Einstellung über einen Trieb nach Roberval. Die Trichinenschau erfolgte typischer Weise mit Endvergrößerungen von 40-fach und 100-fach linear.“ Das hier gezeigte Mikroskop verfügt über drei Objektive. Die Beleuchtungsapertur wird mit einer Lochblendenscheibe unter dem Objekttisch eingestellt. Leider fehlt bei diesem vorgestellten Gerät der erforderliche Plan- und Konkavspiegel, nur die zur Befestigung dieses Spiegels dienende Schraube am Tubusträger ist vorhanden. Vorhanden sind auch nicht der obere Teil des Tubus und das Okular.

Für die Trichinenschau erforderlich ist das Trichinenkompressorium (auch Quetschglas genannt). Dieses sind zwei dicke Glasplatten, zwischen die der Fleischbeschauer die Fleischproben einfügt und presst, bis sie ganz dünn sind. Bei ca. 40-facher linearer Vergrößerung werden verdächtige Bereiche im Fleisch auf eingekapselte Trichinen durchsucht und bei einer Vergrößerung von 100-fach linear eindeutig identifiziert. Auf einem dieser Gläser ist in einer kunstvoll geschwungenen Signatur folgender Name eingraviert: Gf. D.F. Rudow, wobei allerdings das erste Wortpaar nicht genau gedeutet werden kann. Es ist anzunehmen, dass diese unbekannte Person namens Rudow der erste Eigentümer dieses Mikroskopes war. Das Instrument wird liegend in einem Weichholzkasten aufbewahrt.
Die Erfindung des Mikroskops liegt im Dunkeln, obwohl man weiß, dass schon im Altertum die vergrößernde Eigenschaft einer optischen Linse bekannt war. Im 17. Jahrhundert nahmen die Erfindungen und Weiterentwicklungen einen rasanten Fortschritt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Fertigung der Optik aber auf neue Grundlagen gestellt. So führten die Initiativen von Ernst Leitz I. (1843-1920) dazu, dass das Unternehmen Leitz, Wetzlar, um die Jahrhundertwende weltweit zu den bekanntesten und größten Mikroskop-Herstellern zählte. Ernst Leitz hatte 1869 ein bereits bestehendes kleines optisches Institut in Wetzlar übernommen. Er führte die Serienproduktion seiner Produkte ein und hatte großen Erfolg damit.
Ein Mikroskop für die Trichinenschau aus den Anfangsjahren des Mikroskopbaus der Firma Ernst Leitz, Wetzlar, wird nunmehr als „Exponat des Monats März“ vorgestellt. Zu sehen ist dieses historische Mikroskop im Museum der Stadt Lennestadt am Sonntag, den 05. März 2017, von 14 -17 Uhr. An Werktagen ist das Museum dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr sowie donnerstags von 9 -12 und 14 -17.30 Uhr geöffnet.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass im Museum die Ausstellung „Lennestädter Wäscheschatz – Tisch-, Gebrauchs- und Schlaftextilien aus 100 Jahren (1850 – 1950)“ noch geöffnet ist.

Der Eintritt in das Museum ist frei.

Text: Walter Stupperich

Foto:  © Museum der Stadt Lennestadt