November 2012
Ein 130 Jahre altes Haarbild als Erinnerung an eine Verstorbene
Schon seit Jahrhunderten steht der Monat November im Zeichen der Trauer um die verstorbenen Familienangehörigen. Das Museum der Stadt Lennestadt schließt sich auch in diesem Jahr wieder diesem Brauch an und wählte als „Exponat des Monats November“ ein ganz individuelles und spezielles Erinnerungsstück aus dem 19. Jahrhundert an eine verstorbene Person.
Es handelt sich bei diesem Erinnerungsstück um ein “Haarbild”. So nennt man Bilder, die meist aus menschlichen Haaren hergestellt wurden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren solche Haarbilder sehr beliebt, kaum jemand wurde davon unangenehm berührt. Ganz im Gegenteil! Man schätzte sich glücklich, wenn man zumindest noch irgendein authentisches Andenken von einem geliebten Verwandten bewahren konnte. Familienfotos waren zu jener Zeit ja noch nicht vorrätig, und ein Gemälde war nur selten vorhanden.
(Foto: Jürgen Kalitzki)
Haarbilder gehören zum Bereich der Sepulkralkultur. Diese umfasst die Kultur des Todes, des Sterbens, des Bestattens sowie des Trauerns und kann im weitesten Sinne auch als Trauer- und Begräbniskultur verstanden werden. Teil der Begräbniskultur sind auch Bestattungsorte, Särge, Grabmale, Totengedenkbücher und auch Haarbilder. Man kann diese Haarbilder auch als reliquienhafte Memorial-Artefakte bezeichnen.
Man stellte die Haarbilder her, indem man dem oder der Verstorbenen eine Strähne ihres Haares abschnitt und in höchst kunstvoller Weise, wie auch hier zu sehen ist, in Form von Landschaftsgemälden oder Ornamenten anordnete. Sie waren ein beliebter Wandschmuck in bürgerlichen Wohnräumen. Man bewahrte auf diese Weise Haare von nahestehenden Personen auf als Andenken an besondere Ereignisse wie Taufe, Hochzeit oder Tod eines geliebten Menschen. Die Herstellung erfolgte in Handarbeit von Perückenmachern, Barbieren, Nonnen, Näherinnen oder sonstigen künstlerisch begabten Frauen. Die Haararbeiten sind gewoben, geflochten oder geklöppelt.
Das vorgestellte Haarbild befindet sich in einem verglasten Schmuckkasten mit Schellack-Rahmen, der eine Größe von 283 x 340 mm und eine Tiefe von 50mm besitzt. Dieses Kästchen ist ausgeschlagen mit Seidenstoff und innen rundherum mit einer Goldlitze versehen. Das Haarbild selbst zeigt eine Trauerweide, die sich über ein auf einem Sockel aufgerichtetem Kreuz neigt. Darunter befindet sich der Name und das Datum des Todes der Verstorbenen.
Dieses Haarbild wurde gefertigt zur Erinnerung an Johanna Schaefers, gestorben am 22. September 1893. Sie wurde im Jahre 1876 geboren als Tochter des Ludwig Schaefers und seiner Ehefrau Maria Richard-Göbeln aus Fleckenberg und starb im Alter von nur 17 Jahren.
Johanna Schäfers mit Eltern und Geschwistern
Die Verstorbene war eine Verwandte von Frau Hildegard Stens geb. Schaefers aus Grevenbrück, der Leihgeberin dieses Haarbildes. Sie weiß zu berichten, dass Johanna seit ihrer Kindheit an einer Drüsenerkrankung gelitten habe, für die es zu jener Zeit keine wirkungsvolle Behandlung gab. Das Haarbild sei in ihrer Familie stets in Ehren gehalten worden und hätte viele Jahre lang einen würdigen Platz in der Wohnung der Eltern gehabt.
Zu sehen ist dieses über 100 Jahre alte Erinnerungsstück an eine früh verstorbene Tochter aus der Familie Schaefers im Museum der Stadt Lennestadt am Sonntag, dem 04. November 2012, von 14 -17 Uhr.
Auch während der wöchentlichen Öffnungszeiten ist das „Exponat des Monats“ zu besichtigen und zwar
dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr und donnerstags von 9 -12 und 14 -18 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
(Text: Walter Stupperich)