Exponat des Monats

Juli 2015

Bauernhof mit Figuren, in den Kriegsjahren liebevoll gefertigt von einem polnischen Zwangsarbeiter

Anlässlich des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges und damit der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenken auch die Menschen in Lennestadt der vielen Opfer dieses Krieges. Ein düsteres Kapital aus dieser Zeit ist der Einsatz von Zwangsarbeitern. Zum Gedenken an die zahlreichen sowjetischen Zwangsarbeiter, die im Raum Lennestadt ihr Leben ließen, legten Lennestädter Bürger auf Initiative von amnesty-international – Ortsgruppe Lennestadt am 8. Mai einen Kranz vor dem Denkmal auf dem Friedhof für ehemalige Zwangsarbeiter in Maumke nieder. Am 17. Juni referierte der Olper Journalist Gerhard Hausen im großen Ratssaal des Rathauses der Stadt Lennestadt über das Thema „Zwangsarbeit im Kreis Olpe“. Auch das Museum der Stadt Lennestadt will mit der Präsentation des „Exponates des Monats Juli“ an diese unselige Zeit erinnern.

Bei dem ausgewählten Exponat handelt es sich um eine Schnitz- und Bastelarbeit „Bauernhof mit Figuren“ eines polnischen Zwangsarbeiters aus Kirchhundem-Herrntrop. Das Exponat wurde dem Museum von Herrn Peter Kaufmann aus Kirchhundem-Herrntrop als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Foto: Museum der Stadt Lennestadt (©)

 

Dieser „Bauernhof mit Figuren“ besteht aus 36 Einzelteilen. Das den Mittelpunkt bildende Bauernhaus im Fachwerkstil hat eine Höhe von 25 cm, eine Breite von 22 cm und ein Tiefe von 17 cm. Dieses Häuschen besitzt 21 kleine Fensterchen, die allesamt verglast und von innen mit Gardinen behangen sind. Die knorrige Haustür ist mit Scharnieren und Verschlüssen versehen. Über der verschließbaren Dachluke ragt ein Heubalken hervor. Zu dem Bauernhof gehören auch noch eine Scheune mit Türen und Fenstern sowie eine Remise. Sogar eine Hundehütte gehört zu dem Ensemble. Zahlreiche Tiere, wie Pferde, Kühe, Schweine sowie ein Schaf, eine Katze, ein Hund und eine Ente sind auf diesem Bauernhof zu sehen. Auch ein Leiterwagen, ein Fasswagen, eine Egge, Tische, Stühle und Bänke sind liebevoll erstellt. Zahlreiche Personenfiguren beleben diese Bauernhof-Idylle.

Wenngleich auch dieser Bauernhof keine künstlerisch wertvolle Arbeit ist, so zeigt es aber aufgrund der vielen kleinen Einzelheiten, dass er mit großer Liebe erstellt wurde. Sicher hatte dieser polnische Arbeiter „Glück“, in der Landwirtschaft in Herrntrop eingesetzt worden zu sein. Auch bei den meisten anderen Zwangsarbeitern, die in Privathaushalten, Handwerksbetrieben oder Gaststätten eingesetzt wurden, waren die Lebensbedingungen sicherlich deutlich besser, als bei den Arbeitern, die in der Industrie meistens unter schwersten Bedingungen arbeiteten und in den großen Lagern dahin vegetieren mussten. Diese Bastelarbeit war sicher eine Geste des Dankes an die Inhaber des Hofes in Herrntrop, bei denen der Pole arbeitete.

Es gab in Herrntrop neben einigen russischen Zwangsarbeitern angabegemäß nur einen polnischen Fremdarbeiter. Dieser war auf dem Hof Heinemann (Allues) eingesetzt, sein Name war Wallis Rogalla. Über das Schicksal dieses Mannes berichtet ausführlich Dr. Claus Heinemann in seinem 1981 erschienenen Buch „Ein kleines Dorf und eine große Geschichte. Herrntrop im Sauerland“. Wallis Rogalla ist auf dem Hof Allues sicher sehr wohl menschlich und angemessen behandelt worden. Denn dieser polnische Zwangsarbeiter heiratete 1947 in Herrntrop und gründete eine Familie. Kurz darauf kehrte er mit Frau und Kind in seine polnische Heimat zurück. Es ist anzunehmen, dass dieser Wallis Rogalla das vorgestellte Schnitzwerk erstellt hat. Wallis Rogalla wanderte später nach Kanada aus. Vor rund 30 Jahren hat er bei einem Besuch seiner polnischen Heimat ganz unerwartet Herrntrop, seine „zweite Heimat“, wieder aufgesucht. Die Begrüßung war herzlich und freundschaftlich.

Dieses Schnitzwerk des polnischen Zwangsarbeiters kam über verwandtschaftliche Verbindungen in den Besitz von Peter Kaufmann. Als Erinnerung an eine dunkle deutsche Zeit übergab er es schließlich als Dauerleihgabe dem Museum der Stadt Lennestadt.

Nach dem Einmarsch der Alliierten wurden die Zwangsarbeiter als „Displaced Persons“ in weitere Lager abgeschoben, bis sie schließlich in ihre Heimat zurück konnten. Dort wurden sie aber oft als Verräter angesehen und mussten um ihr Leben fürchten. Einige der Fremdarbeiter blieben hier, einige rächten sich an ihren Peinigern. So kam es auch in der hiesigen Gegend oft zu Übergriffen, mehrere Schuldige und Unschuldige kamen zu Tode. Wallis Rogalla hat sich in dieser schrecklichen Zeit nachweislich plündernden Polen in den Weg gestellt und den Hof beschützt.

Zu sehen ist dieses Zeugnis aus einer dunklen deutschen Vergangenheit im Alten Amtshaus des Museums der Stadt Lennestadt am Sonntag, dem 05. Juli 2015, von 14 -17 Uhr. An Werktagen ist das Museum dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr sowie donnerstags von 9 -12 und 14 -18 Uhr geöffnet.
Der Eintritt im Alten Amtshaus ist frei.

Text: Walter Stupperich