Januar 2018
Der Winter ist da. Die Tage sind kurz und die Temperaturen fallen unter den Gefrierpunkt. An diesen langen und dunklen Winterabenden sollte man es sich gemütlich machen und am Kamin oder Ofen richtig entspannen, ein Buch lesen oder schöne Gespräche führen. Vor 100 Jahren, als es noch keinen Strom gab, genossen unsere Vorfahren diese dunkle Zeit, um sich auf die Arbeit des kommenden Sommers vorzubereiten. Vater oder Opa saßen am Ofen und stopften sich ein Pfeifchen, und die ganze Stube war voller Qualm. Eine solche Pfeife, wie sie vor über 100 Jahren geraucht wurde, stellt das Museum der Stadt Lennestadt als „Exponat des Monats Januar“ heute vor. Es handelt sich dabei um eine Reservistenpfeife, wie sie um 1900 große Mode war. Sie ist eine Leihgabe des Heimat- und Verkehrsvereins Grevenbrück.
Reservistenpfeifen gehören ebenso wie Bierkrüge in den Bereich der Reservistika. Von etwa 1870 bis 1913 war es Brauch, dass sich Soldaten nach aktiver Ableistung ihrer Dienstzeit solche Erinnerungsstücke anfertigen ließen. Soldaten genossen in dieser Zeit großes Ansehen. Man war stolz darauf, „für das Vaterland gedient“ zu haben. Reservistika waren Ausdruck dieser Haltung, und sie wurden gern vorgezeigt. Teller, Gläser, Flaschen und vor allem Krüge und Pfeifen waren es, die den Namen des Wehrdienstleistenden der Dienstzeit und die Bezeichnung der Einheit trugen.
Solche Reservistenpfeifen benutzte man bis auf wenige Ausnahmen nur in Deutschland und überlebten hier als vaterländisches Wahrzeichen. In der schon sprichwörtlichen „Haben sie gedient?“-Epoche erwarb der Reservist sie als brauchbares Rauchgerät und überdies zum Andenken an seine Dienstzeit. Zunächst aber war die dafür benötigte Porzellanpfeife mit fein gemalten Regimentemblemen vor allem den Offizierskorps vorbehalten. Eine zunehmende Verbreiterung dieser militärischer Rauchgeräte geschah dann durch bessergestellte Berufssoldaten aus den berittenen Truppenteilen mit ihren bevorzugten Dekorationen. Spätestens aber nach der umjubelten Kaiserproklamation von Wilhelm I. im Januar 1871 erlebten die Soldatenpfeifen eine unwahrscheinliche Renaissance.
Die Porzellanpfeifen waren zunächst handgemalt. Die fortschreitende Industrialisierung verdrängte dann aber das ehemalige Kunsthandwerk. Die meist mittellosen Wehrpflichtigen konnten sich nun auch vermehrt diese Soldatenpfeifen leisten. Insbesondere erlangten dann die Reservistenpfeifen eine große Bedeutung. Diese Pfeifen waren in der Dekoration überladen, sie waren mit Troddeln und Fahnen geschmückt. Dokumentiert wurden auf diesen Reservistenpfeifen die Gruppenzugehörigkeit durch das Wappen des Regiments und den aufgemalten Namen des Regimentsangehörigen sowie das Datum des Dienstzeitendes.
Die vom Museum präsentierte Reservistenpfeife ist eine mehrteilige Gesteckpfeife mit langem Weichselrohr und einen aufsteckbarem Pfeifenkopf mit entsprechenden Verzierungen. Die Pfeife ist sehr aufwendig gestaltet. Sie besteht aus Holz sowie schwarzem und hellem Horn. Auf einem der Hornteile im oberen Teil der Pfeife befinden sich ein Rangstern sowie die Zahlen 12 und 137 (12. Kompanie, Regiment 137) aus vergoldetem Messing. Zwischen den Hornteilen sind zwei breite flache Scheiben aus Hirsch-Abwurfstangen und ein verzierter Porzellanring mit dem Porträt von Kaiser Wilhelm II. angebracht. Der aus Porzellan bestehende Pfeifenkopf ist leider mehrfach gerissen und verklebt. Auf dem Pfeifenkopf befindet sich ein Metallring für einen allerdings nicht mehr vorhandenen Deckel. Die Vorderseite des Pfeifenkopfes ziert eine Abschiedsszene des Soldaten und seinem Mädchen, dazu der Spruch: „Leb wohl mein Mädchen, nimm frohen Muth, wir sehn uns wieder, wenn der Kaiser uns ruft.“ Darunter “Gott mit uns“ und der Name „Reserv.Heine“. Die Rückseite des Pfeifenkopfes trägt die Abbildung einer Kampfszene, darunter der Spruch: „In des Gefechtes Mitte stehn wir wie Mauern fest für Deutschlands Ruhm und Ehre für Vaterland und Fürst.“ Dann folgt die Angabe: „Zum Andenken a.m. Dienstz. b.d. 12 Comp. 2.Unter-Elsäss.Inf.Rgt. Nr. 137 Hagenau i.Els. 19.06.08“. Die Pfeife ist versehen mit einer schwarz-weiß-roten Zierkordel und einer schwarz-weiß-roten Quaste.
Gerade wegen der offenkundigen Trivialität kann diese verbreitete Reservepfeife als Spiegelbild für das längst vergangene Kaiserreich mit seinem staatstragenden Grundsatz „Befehl ist Befehl“ herhalten. Sie ist damit auch ein Zeitdokument über militärischen Größenwahn mit seinen sozialen Missständen und dem zunehmenden Proletariat. Letztlich war aber diese Reservistenpfeife für die überwiegenden Wehrpflichtigen ganz einfach ein Andenken an ihre Dienstzeit und mit einer freundlichen Erinnerung verbunden.
Zu sehen ist dieses über 100 Jahre alte Relikt aus der Kaiserzeit im Museum der Stadt Lennestadt am Sonntag, den 07. Januar 2018, von 14 -17 Uhr. An Werktagen ist das Museum dienstags von 9 -12 und 14 -16 Uhr sowie donnerstags von 9 -12 und 14 -17.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt in das Museum ist frei. Foto und Text dieses Exponates sowie alle früher vorgestellten „Exponate des Monats“ kann man sehen und lesen auf den Internetseiten des Heimatvereins Grevenbrück unter: http://www.heimatverein-grevenbrueck.de/ und auch der Stadt Lennestadt unter: http://www.lennestadt.de/Leben-Wohnen/Kultur/Museum-der-Stadt-Lennestadt/Exponat-des-Monats/Aktuelles-Exponat-des-Monats
Text: Walter Stupperich
Foto: © Museum der Stadt Lennestadt